Universitätsmedizin Mainz nimmt hochleistungsfähige Doppelkopf-SPECT-Kamera in Betrieb
Neue Gammakamera erlaubt genauere Diagnose bei geringerer Strahlenbelastung
Wie weit hat sich eine Tumorerkrankung im Körper verbreitet? Wie verteilt sie sich? Wie schwer ist der Patient erkrankt? Diese und andere Fragen kann die Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mainz ab sofort noch besser beantworten. Sie hat heute eine neue, hochleistungsfähige Doppelkopf-SPECT-Kamera der allerneuesten Generation in Betrieb genommen. Diese ermöglicht Schichtaufnahmen des Körpers von sehr hoher Bildqualität. Dank modernster Aufnahmetechnik und Bildrekonstruktionssoftware sind Details im Körper sehr deutlich erkennbar und somit präzisere Diagnosen möglich. Zudem nimmt die sogenannte Gammakamera des Single-Photon-Emissions-Spektrometers Untersuchungsdaten schneller auf. Dies bedeutet für die Patienten eine kürzere Untersuchungszeit. Aufgrund seiner Bauweise ist die neue Kamera insbesondere für bewegungseingeschränkte oder schwergewichtige Patienten, aber auch für Menschen mit Platzangst geeignet.
Die medizinische Bildgebung ist ein wichtiges Hilfsmittel in der Diagnostik von Krankheiten und in der zielgerichteten Steuerung von Therapien. Diagnostische Verfahren der Radiologie, wie beispielsweise die Ultraschalluntersuchung (Sonographie), Röntgenuntersuchungen, Computertomographien (CT) oder die Kernspintomographie, geben Auskunft über die „Bauweise“, die sogenannte Morphologie, des untersuchten Körpers. Um mehr über die Leistungsfähigkeit der Körperfunktionen eines Menschen, beispielsweise seines Stoffwechsels oder seiner Organe zu erfahren, sind ergänzende Methoden erforderlich. Die Nuklearmediziner der Universitätsmedizin Mainz verwenden für diesen Zweck ein diagnostisches Schnittbildverfahren: die Single-Photon-Emissions-Computertomografie, kurz SPECT. Diese Methode basiert auf der sogenannten Szintigraphie-Technik, also der Aufzeichnung von radioaktiver Strahlung mit einer Gammakamera. Für diesen Zweck wird dem Patienten vor der Untersuchung ein bestimmter schwach radioaktiver Stoff (Radionuklid) verabreicht.
Ein beweglicher Lagerungstisch und ein Computersystem zur Bedienung und Bildberechnung vervollständigen das System. Die gesammelten Informationen werden im Rechner zu Organfunktions-SPECT-Bildern und anatomischen CT- Bildern umgerechnet, die dann separat oder überlagert an Monitoren dargestellt werden. So entstehen Schichtaufnahmen des Körpers. Das entstandene Szintigramm zeigt in dreidimensionalen, farbkodierten Bildern, wie sich der Zerfall von zuvor verabreichten radioaktiven Isotopen im Patienten räumlich verteilt. Sofern die Mediziner diese räumliche Aktivitätsverteilung in der untersuchten Region mehrfach messen, können sie auch Aussagen über veränderte Verteilungen und damit über die Leistungsfähigkeit der untersuchten Körperregion innerhalb eines bestimmten Zeitraums treffen.
Je leistungsfähiger ein Untersuchungsgerät ist, umso genauer die Diagnose. Dank der sehr guten Bildqualität der neuen Gammakamera können die Teams der Klinik auch kleinste Details in der untersuchten Körperregion erkennen. „Mit der neuen SPECT-Kamera können wir Herde von Tumoren oder Entzündungen mit viel größerer Genauigkeit detektieren als bisher. Dadurch ist es uns möglich, noch präzisere diagnostische Aussagen darüber zu treffen, wie weit sich die Erkrankung im Körper verbreitet hat, wie sie sich verteilt und folglich auch wie schwer der Patient erkrankt ist“, erläutert der Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Mathias Schreckenberger. Die neue Doppel-SPECT-Kamera ersetzt die vorherige Kamera aus dem Jahr 2000.
Seine Modernität zeigt das neue System auch in seiner Anwenderfreundlichkeit. Der Kamera-Detektor ist variabel einzustellen und für fast alle darzustellenden Bereiche zu positionieren. Zudem verfügt das neue Gerät über einen offenen Scanner-Ringtunnel (Gantry), durch den der Patient im Rahmen der Untersuchung gefahren wird. Die Untersuchung kann daher erfolgen, ohne dass der Patient dafür bzw. währenddessen aufwendig bewegt und gelagert werden muss. Dies bedeutet für die Behandlung von immobilen und schwerkranken Patienten oder klaustrophobischen Menschen eine Erleichterung. Professor Schreckenberger freut sich über die verbesserten Behandlungsoptionen: „Für unsere Patienten bedeutet der Einsatz der neuen Doppelkopf-SPECT-Kamera wesentlich verbesserte Untersuchungsmöglichkeiten. Weltweit gibt es bisher nur vier andere Kliniken, die diese hochmoderne Gammakamera einsetzen.“
Die Anwendungsbereiche der rund 215.000 Euro teuren neuen Mainzer Doppel-SPECT-Kamera sind insbesondere onkologische sowie neurologische und kardiologische Krankheitsbilder. Weitere zentrale Einsatzbereiche sind die Therapie- und Verlaufskontrolle im Rahmen von Teil- oder Ganzkörperuntersuchungen. Ganz konkret nutzen die Mainzer Nuklearmediziner die hochempfindliche Gammakamera beispielsweise, um Entzündungen auszuschließen oder genau zu lokalisieren, die Funktionsfähigkeit von Organen wie Herz, Niere, Magen, Leber oder Schilddrüse zu prüfen, nach Blutungsquellen zu suchen oder auch um festzustellen, ob und wie sehr sich ein bösartiger Tumor ausgebreitet hat.
Hintergrundinformationen zur Nuklearmedizin und zur Gammakamera:
Der menschliche Organismus kann bei Stoffwechselvorgängen nicht unterscheiden, ob es sich um natürlich vorkommende Elemente oder um radioaktive Isotope handelt, weshalb er letztere ebenfalls verstoffwechselt. Diesen Vorgang macht sich die Nuklearmedizin zu Nutze: Mit Hilfe unterschiedlicher Substanzen lassen sich biochemische Vorgänge in den verschiedensten Organen darstellen. Radioaktive Tracer ermöglichen es, Stoffwechselwege und -funktionen im Körper zu verfolgen und bildlich darzustellen. Die Differenzen zwischen Bereichen mit hoher und geringer radioaktiver Aktivität erlauben diagnostische Rückschlüsse auf den Stoffwechselvorgang und somit auf mögliche krankhafte Veränderungen.
Der Ablauf und die Funktionsweise dieser Prozesse lässt sich wie folgt beschreiben:
Vor einer nuklearmedizinischen Untersuchung bekommt der Patient zunächst einen bestimmten schwach radioaktiven Stoff (Radionuklid) mit einer Spritze verabreicht. Dieses sogenannte Radiopharmakon besteht aus einem Trägerstoff, der radioaktiv markiert ist. Als Trägerstoffe werden Substanzen verwendet, die der Körper leicht aufnimmt und in den Stoffwechsel einschleust – beispielsweise Eiweiße oder Salze. Über die Blutbahn gelangt das Radiopharmakon in die zu untersuchenden Körperregionen bzw. in das Organ. Dort reichern sich die schwach radioaktiven Stoffe kurzfristig an, die Substanzen zerfallen und geben als Signale Gammastrahlen ab. Die hochempfindliche Gammakamera kann diese vom Körper ausgehende Strahlung erfassen: Hierzu verfügt sie über einen oder mehrere Messköpfe (Detektoren). Diese rotieren um den Körper des Patienten und zeichnen die Strahlung auf. Ein angeschlossener Computer wandelt die so erfassten Daten dann in ein Bild um: Dieses mithilfe der Doppelkopf-SPECT-Gammakamera erstellte sogenannte Szintigramm zeigt in dreidimensionalen, farbkodierten Bildern, wie sich der Zerfall der radioaktiven Isotope in der untersuchten Region räumlich verteilt. Bei einer statischen SPECT-Untersuchung wird nur zu einem Zeitpunkt die Verteilung des Stoffes gemessen. Der dynamische Scan basiert auf dem Prinzip der Mehrfachmessung, der es ermöglicht, die Verteilung der radioaktiven Substanzen zeitabhängig zu beobachten.
Pressemitteilung "Mainz nimmt hochleistungsfähige Doppelkopf SPCT Kamera in Betrieb" (PDF 60,6 KB)