Das Knochenmark im Schädel stellt eine geschützte und dynamisch expandierende Umgebung für blutbildende Stammzellen dar und unterscheidet sich damit wesentlich vom Knochenmark in anderen Knochenregionen. Das ist das Ergebnis einer Studie mit Beteiligung von Forschenden des Instituts für Transfusionsmedizin – Transfusionszentrale der Universitätsmedizin Mainz, die heute in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde.
Die Bildung von menschlichen Blutzellen ist ein komplexer Prozess, der im roten Knochenmark erfolgt. Dabei handelt es sich um ein Gewebe, das die Hohlräume im Inneren verschiedener Knochen ausfüllt. Im roten Knochenmark entwickeln sich aus den sogenannten Stammzellen über mehrere Zwischenstufen rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Alterungsprozesse, chronische Entzündungen und andere Erkrankungen können die Funktion des Knochenmarks und damit auch die Blutbildung beeinträchtigen.
Bei gesunden Erwachsenen befindet sich das blutbildende Knochenmark vor allem im Brustbein, in den Rippen, in der Wirbelsäule, im Becken und in bestimmten Schädelknochen. Bisher wurde angenommen, dass sich das Knochenmark aus den verschiedenen Knochenregionen in seiner Blutbildungskapazität nicht unterscheidet und dass sich negative Einflüsse in allen Knochenregionen gleichermaßen auf die Knochenmarksfunktion auswirken. In einer Studie unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin (Münster) um Dr. Bong-Ihn Ko (Erstautor) und Prof. Dr. Ralf Adams (Letztautor) konnten Wissenschaftler:innen des Instituts für Transfusionsmedizin – Transfusionszentrale der Universitätsmedizin Mainz jetzt neue Erkenntnisse zur Funktion und Widerstandsfähigkeit des Knochenmarks im Schädelknochen aufdecken.
„Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren, genetischen Untersuchungen im Tiermodell, pharmakologischen Ansätzen und Krankheitsmodellen haben wir gezeigt, dass sowohl das Knochenmark im Schädel als auch die Gefäße im Schädelknochenmark über den gesamten Lebensverlauf expandieren. In der Folge nimmt auch der Beitrag des Schädelknochenmarks zur Blutbildungsleistung im Laufe des Lebens zu“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Daniela Krause, Direktorin des Instituts für Transfusionsmedizin – Transfusionszentrale der Universitätsmedizin Mainz.
Eine weitere überraschende Erkenntnis der Forschenden: Das Knochenmark im Schädelknochen ist weitgehend vor alterungsbedingten Veränderungen, wie der Hochregulierung von entzündlichen Proteinen und dem Verlust der Gefäßintegrität, geschützt. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler:innen nachweisen, dass sich das Gefäßsystem des Schädelknochenmarks von Erwachsenen dynamisch und rasch an physiologische Veränderungen anpasst, die beispielsweise in einer Schwangerschaft, bei einem Schlaganfall oder bei einer Blutkrebserkrankung (Leukämie) auftreten können.
„Unsere Untersuchungsergebnisse zu den bisher unbekannten Eigenschaften des Schädelknochenmarks erweitern das Verständnis von Alterungs- und Krankheitsprozessen beim Menschen. Die im Rahmen unserer Studie gewonnenen Erkenntnisse können zudem Ansatzpunkt für die Entwicklung von neuartigen pharmakologischen Therapien sein, die die Blutbildung beeinflussen“, betont Professorin Krause.
Originalpublikation:
Bong Ihn Koh, Vishal Mohanakrishnan, Hyun-Woo Jeong, Hongryeol Park, Kai Kruse, Young Jun Choi, Melina Nieminen-Kelhä, Rahul Kumar, Raquel S. Pereira, Susanne Adams, Hyuek Jong Lee, M. Gabriele Bixel, Peter Vajkoczy, Daniela S. Krause & Ralf H. Adams. Adult skull bone marrow is an expanding and resilient haematopoietic reservoir. Nature (2024). Published online 13 November 2024.
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-024-08163-9
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Daniela Krause, Institut für Transfusionsmedizin –Transfusionszentrale, Universitätsmedizin Mainz,
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