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Boehringer-Ingelheim-Preis 2016: Forschung für bessere Prothesen und zum Verständnis des Immunsystems

Zwei Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz ausgezeichnet

Die Boehringer-Ingelheim-Stiftung würdigte heute im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung den Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. Andreas Baranowski und den Immunologen Dr. Georg Gasteiger mit dem diesjährigen Boehringer-Ingelheim-Preis. Der mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Preis geht zu gleichen Teilen an die beiden erfolgreichen Nachwuchswissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz. Andreas Baranowski fand heraus, dass bei Prothesen aus Titan, die mit dem knocheneigenen Eiweiß „Bone Sialoprotein“ beschichtet sind, knochenspezifische Gene aktiviert werden. Daraus können eine bessere Verankerung der Prothesen im Knochen und damit ein langfristig stabilerer Sitz resultieren. Georg Gasteiger konnte nachweisen, dass bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems, die sogenannten ILCs, an ihre jeweiligen Gewebe angepasste, lokale Abwehrzellen sind. Diese Erkenntnis ist ein bedeutender Schritt, um die Funktionsweise der Immunabwehr zu verstehen.

„Beide Preisträger sind in Forschungsfeldern erfolgreich, die zu Forschungsschwerpunkten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) – Immuntherapie und Biomatics – gehören. Das lässt sich auch als Beleg dafür werten, dass Nachwuchswissenschaftler an der Universitätsmedizin Mainz hervorragende Forschungsbedingungen vorfinden, die sie zu Spitzenleistungen in ihrem jeweiligen Forschungsgebiet befähigen“, betont Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan der Universitätsmedizin Mainz.

Otto Boehringer, Ehrenvorsitzender des Vorstandes der Boehringer-Ingelheim-Stiftung, ergänzt: „Es ist mir immer wieder eine Freude, hervorragenden Nachwuchswissenschaftlern im Namen der Boehringer-Ingelheim-Stiftung zu diesem Preis gratulieren zu dürfen. Es macht das, wofür wir uns als Stifter einsetzen, die Förderung exzellenter Forschung in den Lebenswissenschaften, auf eine sehr persönliche Weise sichtbar.“

Gemeinsam mit dem Medizinischen Direktor Deutschland bei Boehringer Ingelheim, Dr. Thor Voigt, und Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann überreichte Otto Boehringer den Boehringer-Ingelheim-Preis 2016 an die beiden Nachwuchswissenschaftler. Anschließend präsentierten die beiden Preisträger ihre Forschungsarbeiten. Der Direktor des Instituts für Pathologie, Univ.-Prof. Dr. Wilfried Roth, sprach in seinem Festvortrag unter dem Titel „Moderne Pathologie: Von der Obduktion zur molekularen Diagnostik“ über die Herausforderungen der modernen Pathologie.

Mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis zeichnet die Boehringer-Ingelheim-Stiftung Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen und klinischen Medizin aus. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird seit 1969 jährlich vergeben.

Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Andreas Baranowski (Jahrgang 1979)

Der Forschungsfokus von Dr. Andreas Baranowski vom Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie liegt auf der sogenannten bioaktiven Implantatbeschichtung.

Andreas Baranowski fand mit seiner Arbeit im Molekularen Forschungszentrum operativer Fächer heraus, dass, wenn das Prothesenmaterial Titan mit dem knocheneigenen Eiweiß „Bone Sialoprotein“ (BSP) beschichtet ist, bestimmte Gene in anhaftenden Knochenzellen aktiviert werden. Dies könnte die Verbindung zwischen Titan und Knochen stärken. So könnten künftig Titan-Prothesen entwickelt werden, die fester im Knochen verankert sind und damit länger stabil sitzen. Darüber hinaus beobachtete er bei seinen Versuchen eine tendenziell erhöhte Knochenzellwanderung hin zum Titan, und die Knochenzellen produzierten vermehrt knochenstärkende Kalksalze. „Unsere Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass sich eine mit dem knocheneigenen Eiweiß BSP vorbeschichtete Prothese im Knochen besser verankert und langfristig stabiler sitzt“, unterstreicht Dr. Andreas Baranowski. „Wenn sich das bewahrheitet, ließe sich möglicherweise künftig der aufwändige Austausch gelockerter Prothesen deutlich reduzieren“, ergänzt der Nachwuchswissenschaftler. Gegenwärtig müssen hierzulande jährlich bei etwa 35.000 Patienten gelockerte Prothesen gewechselt werden. Ein solcher Eingriff ist nicht ohne Risiko.

Je nach Patient werden heutzutage Prothesen verwendet, die entweder mittels Knochenzement im Knochen verankert werden oder bei denen die Verankerung durch Einwachsen des Knochens in die Oberfläche der Prothese erfolgt. Für Letztere, sogenannte zementfreie Prothesen, ist Titan als Material besonders gut geeignet: Es ist gut verträglich, ausreichend elastisch, stabil und lange haltbar. Für seine aktuelle Forschungsarbeit beschichtete Andreas Baranowski zunächst Titanscheiben mit BSP. Auf dem so beschichteten Prothesenmaterial siedelte er sodann menschliche Knochenzellen an. Unter dem Mikroskop konnte er deutlich erkennen, dass sich die Zellen vermehrten und auch mehr Kalksalz bildeten. Darüber hinaus konnte Baranowski mit molekularbiologischen Methoden zeigen, dass bestimmte knochenspezifische Gene aktiviert werden. Auch die Wanderung der Knochenzellen hin zum Titan konnte er nachverfolgen.

All diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich mittels BSP-Beschichtung eine bessere Verbindung zwischen Titan und Knochen erzielen lässt. Und so bewertet Baranowski die bisherigen Ergebnisse auf Zellebene als aussichtsvoll: „Bereits jetzt führen wir an der Universitätsmedizin Mainz Folgeversuche an mit BSP-beschichteten, mittels 3D-Druck hergestellten Knochenersatzmaterialien durch.“

Originalpublikation:

Andreas Baranowski et al. “Surface Functionalization of Orthopedic Titanium Implants with Bone Sialoprotein” in PLOSONE. DOI: 10.1371/journal.pone.0153978 April 25, 2016

Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Georg Gasteiger (Jahrgang 1976):

Dr. Georg Gasteiger, ehemals Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universitätsmedizin Mainz, erforscht eine erst vor Kurzem entdeckte Gruppe von Immunzellen, die sogenannten „Innate Lymphoid Cells“ (ILCs). Sie gelten als wichtige Akteure des angeborenen Immunsystems. ILCs nehmen zentrale Aufgaben bei der Abwehr von Infektionserregern im menschlichen Körper wahr – so schützen sie uns vor dem Eindringen von Krankheitserregern. Allerdings können ILCs auch Entzündungen verursachen und spielen bei Allergien und möglicherweise auch der Entstehung von Tumoren eine Rolle.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Memorial Sloan-Kettering Cancer Centers in New York, USA, fand Georg Gasteiger Folgendes heraus: Im Gegensatz zu vielen anderen Zellen des Immunsystems patrouillieren ILCs nicht ständig auf der Suche nach Eindringlingen mit dem Blut durch den Körper. Stattdessen bilden sie vielmehr eine spezialisierte, lokale Einsatztruppe, welche sich strategisch zum Beispiel an den inneren und äußeren Grenzflächen des Körpers
(z. B. Lunge, Darm und Haut) ansiedelt. Sie vermehren und erneuern sich vor Ort direkt in ihrem jeweiligen Gewebe. Erst bei chronischen Prozessen erfolgt Nachschub aus den im Knochenmark ansässigen Vorläuferzellen. Dies ist nach Ansicht der Wissenschaftler ein bedeutender Schritt, um die Funktionsweise der Immunabwehr an den inneren und äußeren Grenzflächen des Körpers (z. B. Lunge, Darm und Haut) zu verstehen. Zuvor war unklar, wo sich ILCs im Körper vermehren und erneuern und wann und wie sie in die peripheren Gewebe gelangen.

„Wir konnten nachweisen, dass ILCs als ‚sesshafte‘ Zellen fest zum jeweiligen Organ gehören und sich auch vor Ort vermehren. Wir vermuten deshalb, dass ILCs sehr spezifisch an die verschiedenen Gewebe und ihre Funktion dort angepasst sind“, erklärt Dr. Georg Gasteiger. „Überraschend war für uns insbesondere, dass ILCs sogar in Lymphknoten und der Milz, also in Organen, die kontinuierlich von Immunzellen durchwandert werden, sesshaft sind“, so der Immunologe.

Im Detail konnten Dr. Gasteiger und seine Forscherkollegen zeigen, dass bei einer akuten Infektion sich zusätzlich neue ILCs zunächst lokal bilden und vermehren. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass der Nachschub von ILCs aus den im Knochenmark ansässigen Vorläuferzellen erst erfolgt, wenn das Immunsystem länger gefordert wird. Dies ist zum Beispiel bei chronischen Entzündungen der Fall oder während einer längeren Heilungsphase einer Infektion.

„Es gibt also sowohl lokal sesshafte als auch über das Blut einwandernde ILCs in unseren Organen. Wir untersuchen, wie sich die ‚sesshaften‘ Zellen lokal regenerieren und wie sie von ihrer jeweiligen Umgebung geprägt werden. Des Weiteren wollen wir verstehen, welche Rolle der über das Blut rekrutierte Nachschub von ILCs bei Krankheitsprozessen genau spielt“, formuliert Gasteiger die nächsten Forschungsziele.

Über ILCs:

Erst vor wenigen Jahren identifizierten Wissenschaftler diese weitere Gruppe von Zellen des angeborenen Immunsystems. Die so genannten Innate Lymphoid Cells (ILCs) bilden eine vielfältige Familie und zählen zu den wichtigsten Waffen des körpereigenen Immunsystems. Über die Bekämpfung von Krankheitserregern hinaus haben ILCs wichtige Funktionen bei der Organhomöostase, also der Aufrechterhaltung des balancierten Funktionszustandes lebenswichtiger Organe. Vorstufen der ILCs, sogenannte „precursors“, befinden sich im Knochenmark.

Originalpublikation:
Gasteiger et al., „Tissue residency of innate lymphoid cells in lymphoid and non-lymphoid organs“ in Science. 2015 Oct 15. pii: aac9593. www.sciencemag.org/content/early/2015/10/14/science.aac9593

 

 

Bildunterzeile:

Der Kaufmännische Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Dr. Elke Frank; der Ehrenvorsitzende des Vorstandes der Boehringer-Ingelheim-Stiftung, Otto Boehringer; die Vorstandsvorsitzende und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Babette Simon; der Medizinische Direktor Deutschland der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Dr. Thor Voigt; die beiden Preisträger Dr. Andreas Baranowski und Dr. Georg Gasteiger; der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann; die Geschäftsführerin der Boehringer-Ingelheim-Stiftung, Dr. Claudia Walther und der stv. Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Manfred Beutel, bei der Verleihung des Boehringer-Ingelheim-Preis 2016 (von links nach rechts)

Bildquelle: Thomas Böhm (Universitätsmedizin Mainz)

 

Pressekontakt

Oliver Kreft
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Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de

Über die Boehringer-Ingelheim-Stiftung
Die Boehringer-Ingelheim-Stiftung ist eine rechtlich selbstständige, gemeinnützige Stiftung und fördert die medizinische, biologische, chemische und pharmazeutische Wissenschaft. Errichtet wurde sie 1977 von Hubertus Liebrecht, einem Mitglied der Gesellschafterfamilie des Unternehmens Boehringer Ingelheim. Mit ihrem Perspektiven-Programm „PLUS 3“ und den „Exploration Grants“ für selbstständige Nachwuchswissenschaftler fördert sie bundesweit exzellente unabhängige Nachwuchsforschergruppen. Sie dotiert den internationalen Heinrich-Wieland-Preis sowie Preise für Nachwuchswissenschaftler. Die Boehringer-Ingelheim-Stiftung fördert für zehn Jahre den wissenschaftlichen Betrieb des Instituts für Molekulare Biologie (IMB) an der Universität Mainz mit 100 Millionen Euro. Seit 2013 fördert sie ebenfalls über zehn Jahre die Lebenswissenschaften an der Universität Mainz mit insgesamt 50 Millionen Euro. Weitere Informationen unter www.boehringer-ingelheim-stiftung.de

Über den Boehringer-Ingelheim-Preis
Der Boehringer-Ingelheim-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der klinischen und der theoretischen Medizin wird seit 1969 vergeben. Eine Fachjury der Universitätsmedizin Mainz wählt die Preisträger aus. Seit 1995 dotiert die Boehringer-Ingelheim-Stiftung den Preis.